Nach dem alle Vorbereitungen um 5 Uhr morgens in der Wechselzone getroffen wurden, lies man die Pros vor 6.00 Uhr an den Strand, denn die hatten ja um 6.30 bzw. die weiblichen Pros um 6.35 Uhr Start. Die Agegrouper wurden dann so an den Strand gelassen, das wir die Starts der Pros auch sehen konnten. Die Kanone böllerte und die 200 Menschen schossen durchs Wasser zum Horizont.
Das Starterfeld war sehr breit. Dadurch war es nicht sehr tief, d.h. wenn Du Dich links hinten einsortiertest, warst Du nicht wirklich weit von der Startlinie entfernt. Die Stimmung im Wasser hängend war schon irre. Tausende Menschen am Ufer, dazu das Trommelgetöse von Einheimischen., da drüber der Blick in die Berge und den tropischen Wäldern. Vorn die Kajaks und Menschen auf Surfbrettern sitzend, versuchten eine gedachte Startlinie einzuhalten und drängten die Schwimmer zurück. Es ging los, die Schwimmstrecke war einfach, 1,9 KM rausschwimmen, um ein grösseres Schiff herum und zurück. Durch meine Krankengeschichte hatte ich mir in der 2. Hälfte Brustschwimmpausen eingeplant. Draussen merkte ich schon, bevor wir um das Schiff herum waren, das der Wellengang doch beträchtlich zugenommen hatte. Um das Schiff herum geschwommen, schoben sich von hinten links Wellenberge so unter Deinen Body, das ein flaues Magengefühl entstand. Ich war schon von anderen Athleten vorgewarnt worden und nutzte dieses Phase mit 3 Brustschwimmeinlagen. Dabei brannte ich mir dieses schön Bild der vielen Schwimmer und der vor uns liegenden Küste in meinen Kopf. Da war doch trotz Wettkampf Zeit für Innehalten und Genuss. Da lief schon öfter ein Grinsen über mein Gesicht, auch schon beim Start, Ja, ich war hier, auf Hawaii. Es gab etwas Gänsehaut.
In der Wechselzone angekommen, konnte man schon sehen, das hier die Besten der Besten am Start waren, denn 2/3 der Wechselzone war leer. Die bikes waren schon auf der Radstrecke. Nunja, egal! To win ist to finish, aber wenn das immer so einfach wäre… Zunächst mal anziehen, die Leguanos, dann die kühlenden Sachen idenixX, Helm, Radbrille, auf Rad und weg. Kurze Runde im Bereich Kona und dann in Richtung Hawii, der Hauptstadt. Auch hier einfach und simpel, auf dem Highway gerade hin, Wende und wieder zurück. Einfach, aber schon cool, mit dem Gedanken, das hier seit 35 Jahren, nach der Wette der amerikanischen Soldaten gefahren wurde. Der Grund, warum ich überhaupt mit Triathlon startete, was genau das hier. Diese Lavafelder links und rechts, der Blick in die Weite aufs Meer. Die Strecke ist super wellig, ständig geht es runter oder rauf. Beim Wind hatte ich eher das Gefühl, er kommt oft von hinten, oder von vorn, aber nie extrem. Kurz vor Hawii war er dann ganz weg und die Luft wurde zum Atmen echt schwer, so feucht,heiss war das plötzlich. Eigentlich lief es ganz gut, Puls bei 130, Schnitt war immer bei 30Km/H und besser. 120 KM hatte ich auf meinem Tacho stehen, von diesem extremen Wind konnte ich bislang nicht merken. Nur noch 60 KM, aber plötzlich ging es los, ich dachte was ist denn nun. Bergauf und volle Kanone Wind von vorn. Das Tacho sagte 12 KM/H, der Puls jagte bei dieser niedrigen Geschwindigkeit auf über 150. Ich hatte dem nichts entgegenzusetzen, ich denke das Krankenhaus hatte hier zugeschlagen. Ich bin genau vor 4 Wochen entlassen worden und diese fehlende Kraft machte sich bemerkbar. Aber noch langsamer ging es nicht und ich quälte mich stunden lang über diese letzten 60 Kilometer, für die ich i.d.R. nicht mehr als 2 Stunden einplane. Endlich angekommen, wurde mir das Bike abgenommen, ich lief eine grosse Runde um die Wechselzone und bemerkte überhaupt nicht, was mit mir los war. Erst als ich meinen Laufbeutel hatte und in das Zelt zum Umziehen kam. Mir war kotzübel, mein Kopf war schwindelig. Ich hatte überzockt und ich wusste genau, was mit mir los war. Ich hatte überzockt, wie schon auf Bestzeitenjagd in regensburg, Klagenfurt und Lanzarote. Das Blut ist zu dick, der Körper dreht sich einmal rum, der Darm arbeitet, alles was drin ist will raus, Du brauchst Flüssigkeit, aber der Magen will nichts, sonst kotzt Du gleich, weil er es nicht verarbeiten will und kann, die Systeme sind zu! Dazu Krämpfe an den inneren Oberschenkeln. Erst links, dann rechts. Ein Physio war da, aber panisch verbot ich ihm, wohl auch sehr deutlich nicht ab rechten Bein rumzustretchen, denn diese Ischiasgeschichte war ja auch noch da. Aussteigen? Scheisse! Eigentlich ja! Aber hier nein. Ich hatte kein durstgefühl, konnte auch nix trinken. Schon beim Anblick wurde mir schlecht. Da ich das schon kannte wusste ich, irgendwann beruhigt sich die Lage, das Durstgefühl kommt zurück. Ich schaute immer auf meine Uhr, 16 Uhr, 16.30 Uhr. Ich rechnete, bis 24 Uhr hat das Ziel auf. Irgendwie muss ich das doch noch hinbekommen. So sollte es ja eigentlich nicht sein, die Glücklichen, die hier alles in 9 oder 10 Stunden abspulen können.
Der Plan war, um 17 Uhr latsche ich los. Dann sind das 7 Stunden für 42,2 KM. Das sollte ich schaffen können. Wenn das nur so einfach wäre. Ist ja nur Latschen. Aber bist Du schon mal 7 Stunden stramm durchgelatscht? Und das nach 3,8 KM Schwimmen und 180 KM Radfahren. Und die scheiss Zeit sitzt Dir im Nacken. Ich dachte ein Laufen/Gehen- Wechsel. Aber an Laufen war nicht zu denken, immer wenn ich anlief raste mein Puls nach oben und das Gefühl der Übelkeit kehrte zurück. Das Trinken an den Stationen war gräusslich, Wasser, Cola, Isodrink von Powerbar, schon der Gedanke daran… . Es wurde dunkel, Es hielt neben mir ein Auto und gab mir so ein Leuchthalsband. Der Highway war zwar zur Hälfte gesperrt, aber es verirrten sich mal Autos,deshalb brauchst Du Licht an Deinem Körper. Du läufst durch Kona durch, zur einen Seite raus, wieder durch Kona, dann zur anderen Seite. Du denkst, wie gern würdest Du jetzt hier durchlaufen, aber es geht nicht. Die Motivation der Leute war irre, sie haben mich gepuscht! „good Job, good job“ Jeder den Du getroffen hast hat Dich angefeuert, in Deutschland undenkbar! Andere Nationen können das. Ganze Kaffees haben Party gemacht und Dich weitergetrieben. Zwischendurch tauchte immer ein Motorroller auf, auf dem ein Mann saß, der zum Veranstaltungsteam gehörte. Er sagte, wenn Du genauso weitergehst und nicht an den Verpflegungsstationen hälst, sondern Dir alles im Laufen geben lässt, kanns Du es schaffen.
Irgendwann gab es Brühe. Ich wusste, das rettet mich. Brühe macht den Magen bei mir wieder auf. Ich liess mir eine Kleine Flasche mit Brühe vollfüllen und nahm sie mit. Irgendwann musste auch noch die Special-Food Station kommen. Dort hatte ich eine kleine Apfelsaftschorlenflasche und meine eigene Brühe drin. Die Strecke nahm kein Ende und es machte sich bei mir Panik breit, das ich das Ziel um ein paar Minuten verpasse. Erst nach 30 KM Kam die Spezial-Food-Sation. Das war meine Rettung. Ich kippte einen Becher meiner eigenen Brühe in mich hinein, die war noch richtig heiss. Eine Wohltat. Dann orderte ich an den nächsten Stationen nur Becher mit Eis und kippte meine Apfelsaftschorle darauf. Und rein damit. Und das tat gut.
Noch 10 KM, mir ging es besser, aber die Zeit wurde knapp. Ich beschloss auch zu Laufen. 50 Schritte Laufen, 50 gehen. Egal, jetzt muss es funktionieren. Ich überholte viele, denen es ging wie mir. Ich hörte von über 70 Athleten, die noch auf der Strecke waren. Diese never-Ending-Highways. Für den Kopf eine Katastrophe. Du kommst nie an, weisst nicht wie weit es noch ist. Fast keine KM-oder Meilenschilder an der Strecke. Es ist dunkel, keiner da, das Du richtig bist, weisst Du nur, weil vereinzend Verkehrshütchen an der Strecke stehen und ab und zu plötzlich ein kleines Grüppchen junger Leute auftauchen, die Dir ein Getränk anreichen und Dich schon von weitem aus der Dunkelheit anfeuern.
Ich war an einer grossen Kreuzung angekommen, an der ich wusste, jetzt ist es nicht mehr weit. Plötzlich kamen mir 2 strahlende Gesichter entgegen, Rodger Johlitz mit seiner Frau. „Wir haben uns schon Sorgen gemacht und gerechnet. Wenn er nicht läuft schafft er es nicht“ Rodger war schon im Ziel und hatte seine Badelatschen an. Er rannte neben mir her und motivierte mich. Du bist gleich da, Dein Zieleinlauf, da ist die grösste Party, die Du jeh am Ziel hattest. Hier ist Hawaii!
Was im Zielkanal abging, kann man nur schwer beschreiben. (Es wird ein Video davon geben). Die Leute hingen links und rechts über der Absperrung und schrien auf Dich ein, sie hatten alle Ballons in der Hand, Du konntest sie alle abklatschen, alles konntest Du rauslassen, was sich in den letzten fast 17 Stunden aufgestaut hatte, den Frust, die Quälerei, die Hitze, aber auch die schönen Momente. Laute Partymusik, ich hörte schon weitem Mike Ryley meinen Namen rufen, es war der Hammer! Arme hochreissen, Mike Ryley Handshake, Medaille, ein Betreuer nahm mich mit hinter das Ziel. Es kamen noch andere und gratulierten mir, mit denen ich Kontakt auf der Strecke hatte. Ein Amerikaner der auch zu den Betreuern gehörte, betonte nochmal, er wusste, das ich es schaffe…
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Thomas (Montag, 14 Oktober 2013 11:55)
Gänsehaut bei diesem tollen Bericht.
Karsten (Montag, 14 Oktober 2013 18:18)
Mensch Christian, herzlichen Glückwunsch! Da zittert man beim Nachlesen noch mit....Du bist ein geiler Eisenmann und Kona-Finisher! SUPER. Habe bei HR3 alles gesehen, Dich leider nicht, werde Dich im Laden besuchen kommen.Noch mal: great job!
Gruß Karsten / HH-Ott
Saskia (Dienstag, 15 Oktober 2013 14:24)
Gäsenhaut pur! Toller, emotionaler Bericht! Glückwunsch!!!! Saskia